Montag, 2. Juli 2007

Allenby Street

CAN YOU FEEL THE ENERGY? Die Schicksalsfrage in Jerusalem. Ich weiß nicht, wer eigentlich damit angefangen hat. Lonely Planet? Ein Taxifahrer? Ein Prediger aus Oklahoma? Längst ist die heilige Energie zur Routine erstarrt – wie J. C., Erlöser, in den Andenkenhöhlen der Via Dolorosa. Jeder glaubt, sie zu verspüren. Und wer rein gar nichts fühlt, der lügt einfach. Mal ganz ehrlich: Mein Freund Arthur, der Blasphemiker, hat recht. Das von jedem Idioten so andächtig beschworene Kraftfeld dieser Stadt ist ein negatives. Die alten Gassen sind finster und drohen dich zu verschlucken. Jedes Loch eine Falltür ins Bodenlose. Die Energie Jerusalems entlädt sich in Muezzingesängen, messianischen Mienen und Ekstasetänzen an der Klagemauer. In nächtlichen Maschinengewehrsalven und Sirenengeheul aus dem Hinterland. Selbst die Stadtmauern leuchten irgendwie düstern in der Abendsonne.

Tel Aviv aber ist hell. Hell, neu und modern. The White City. Die klaren Formen der Bauhäuser im Zentrum, jedes für sich sexy in seiner Kleinwüchsigkeit. Hier fragt keiner nach der Energie – sie ist einfach da und überall zu spüren. Und sie ist positiv. Abend für Abend: Allenby Street, unsere Schritte werden schneller. Ganz automatisch, Arthur geht es genauso wie mir. Wir laufen nicht davon, wie in Jerusalem. Es ist einfach unmöglich, dem Puls dieser Straße und ihrer Menschen zu widerstehen. Sogar die Straßennamen sind hier schön, egal nach welchem General sie nun benannt sein mögen. Allenby Street führt zur Lilienblum Street. Dort suchen wir das Glück. Hinter dem Schild „Libros en Español“ verbirgt sich ein Geheimnis, heißt es. Vielleicht ein andermal. Jetzt aber füllt der Kioskbesitzer zwei große Becher zur Hälfte mit brennendem Schnaps, kippt bonbonfarbenes, schmelzendes Wassereis darauf. Zwei Strohhalme. Ein Kennerlächeln. „This is beautiful“, sagt er.

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