Mittwoch, 4. Juli 2007

Jakob, der Lügner

When there's nothing left to burn, you have to set yourself on fire.

Independence Day. Wie schön. Heute Nacht erinnert die Heilige Stadt an Tijuana, Mexico. Zumindest jenseits der geweihten Mauern. Es sind allerdings keine kalifornischen College-Kids, die hier auf den Tischen tanzen, Karaoke singen und sich paaren. Sie kommen aus New York und aus New Jersey, werden mit klimatisierten Bussen durchs Land gekarrt. Birthright Israel nennt sich das. Viele tragen Kippas und manche sogar Schläfenlocken. JER-USA-LEM-Shirts. Nicht nur die Frauen sind geschminkt – es gibt auch einen Gay-Bus, erzählt ein eher unorthodoxer Teilnehmer dieser Wallfahrt meinem Freund Arthur und mir. Die örtlichen Bars widmen sich ganz den Bedürfnissen der jungen Leute. Genau wie in "T. J." gibt es zu jedem Bier gratis einen dreifachen Tequila, die aufmerksamen Russinnen füllen gerne nach. Musikalisch scheint man sich dem ehrwürdigen Alter Jerusalems angepasst zu haben. Der DJ spielt „Summer of ’69“ und „Born in the USA“. Ein paar Israelis sind ebenfalls unterwegs: Das Mädchen, das dort in flirrender Schönheit über den Tanzboden schwebt, trägt jedenfalls eine IDF-Uniform – wenn auch ohne M-16. Ihr Gewehr, das sie (laut Vorschrift) niemals irgendwo zurücklassen darf, befindet sich vierfach gesichert an einem geheimen Ort. Behauptet sie jedenfalls.

Etwas abseits, doch mitten im trunkenen Transitverkehr, steht ein junger Mann. Vor einem monumentalen Bankgebäude, in welchem sich – rein architektonisch – schon mal der Dritte Tempel materialisiert, spricht er jeden einzelnen Passanten an, auf Hebräisch und Englisch zugleich. Er verteilt grellgelbe Aufkleber, die uns bereits aufgefallen sind, an Parkuhren und Laternen. In Unkenntnis des fremden Alphabets fragen mein stets neugieriger Freund Arthur und ich Eric – so stellt der junge Aktivist sich vor – nach der Bedeutung seiner Botschaft.

„Jakob, der Lügner“, sagt Eric.

Klar, das erklärt ja alles.

„Mittelmäßiges Buch, schlechter Film", bemerkt Arthur.

Doch Eric nimmt sich gerne fünf Minuten Zeit für uns, unterbricht seine Kampagne, um deren Hintergründe zu erläutern. Also, sein Bruder hätte bei eben jener Tempel-Bank in einen Aktienfonds investiert. 10.000 Shekel – der Gegenwert von etwa 500 Bier/Tequila-Kombinationen in Jerusalem, Mexico. Aus irgendeinem Grund (hier wird die Darstellung ein wenig vage) sei dieses Geld nun verschwunden. Und die alleinige Schuld trage – Jakob, der so genannte Geldberater seines Bruders. Die mächtige Bank versuche selbstverständlich, diese Fehlentwicklung zu vertuschen. Aber Erik und sein Bruder würden kämpfen, notfalls jahrelang, bis die Summe wieder auf dem Konto seines Bruders und Jakob, der Lügner, von seinem Posten entbunden sei. Darum hätte er, Erik, zehntausend Aufkleber drucken lassen. In neongelb. Für jeden Shekel einen. Er gibt uns gleich mal fünfzig davon mit. Naturgemäß werden wir seinen Kampf unterstützen.

Keine Kommentare: