Donnerstag, 16. August 2007

Enjoy the Silence

from: arthurrimbaud3@gmx.li

to: charlotte.sevigny@abc-consulting.de

date: 08. 16. 07 / 01: 36 a. m.

subject: ENJOY THE SILENCE!!!!!

Charlotte, Charlotte, Charlotte!

Kann ich da in Deiner letzten Mail eine gewisse gefährliche Verstimmung detektieren? Vielleicht tröstet es Dich: Auch wir werden hier Tag für Tag fetter. Mein „Freund“, dessen Namen Du offenbar nicht ausschreiben willst, so wie die Ultraorthodoxen den Namen Gottes niemals ausschreiben, und selbst ich, Dein (fremder) „Freund“ (wie in: „Paar“). Uns wachsen sogar Brüste. Humus, Humus, Humus und sehr viel dunkles Bier können schon deshalb nicht ganz koscher sein, weil diese spezielle Israel-Diät langsam, aber mit tausendprozentiger Garantie, auch einen einstmals gertenschlanken Knaben wie mich in ein dickes, fettes Speckschwein verwandelt. Ich fürchte mich schon vor den Schwangerschaftsstreifen, welche sich fraglos in einigen Monaten zeigen werden. Abgesehen von dieser frappierenden Parallelentwicklung darf ich Dich daran erinnern, dass Du bei meiner Abreise den Wunsch geäußert hattest, erst einmal nichts mehr von mir zu hören? Weil ich angeblich immer nur Dinge sage, die Du prinzipiell nicht hören willst oder schon tausendmal gehört hast und deshalb nicht mehr hören willst? Und dass ich ankündigte, meine Emails nicht regelmäßig zu lesen? Dann könnte ich ja gleich zuhause bleiben. Außerdem hasse ich, wie Du, meine Schöne, vielleicht weißt, nichts mehr als Internetcafés. Internetcafés sind für Verlierer. Zumal es ja gar keine Cafés sind, sondern großraumbüroartige Sozialstationen, in denen ungewaschene Backpacker und potentielle Egoshooter-Amokläufer wie ein Haufen Indios campieren. 24-7. Wie soll man da schreiben? Wie soll man denn da, bitte, schreiben?!? Ich kann es jedenfalls nicht. Immerhin schreibt Dir ja Konrad alias Regina Regenbogen. Glaube ihm kein Wort, er ist ein noch größerer Lügner als ich, ich schwöre es, er läuft seit Wochen vor uns davon. Die Tatsache, dass Konrad in diesem Land wohnt (und dass das Auserwählte Volk DIESEN MANN in SEINEM Land leben lässt), ist – beinahe – der einzige Grund, es auf dem schnellsten Wege zu verlassen. Ansonsten ergeht es uns in der Tat gänzlich anders als Dir auf Deinem Logenplatz in der langweiligsten Straße Berlins: Touristen gibt es hier kaum, keiner traut sich ins Kriegsgebiet, nur eine Handvoll US-Boys und Franzosen. Dafür wimmelt es von Juden. Solchen Typen wie Gainsbourg – natürlich schätze ich Deine Wahl, sie entspricht zweifelsohne meinen postmodernen (und sogar postmodernsten) Ansprüchen. Welches Lied hast Du Deiner Tochter – unserer Tochter – denn vorgespielt? „Lemon Incest“? „Nazi Rock“? Nach allem, was Du so über unsere Beziehung (Beziehung?) sagst, vermute ich eher: „Je t’aime... moi non plus“. Sehr originell. Das muss und wird sich ändern. Aber wenn sie wirklich getanzt hat, spricht das eindeutig für dieses Mädchen. Sleazy Kid. Und wenn Du fragst, was für ein Vater ich sein möchte, kann ich nur antworten: ARTHUR MÜLLER, und Arthur Müller hat sich auch schon einen Namen überlegt für unser kleines Gainsbourg Girl, der Dir bestimmt gefallen wird. Er bleibt jedoch vorerst geheim.

Ich verzichte übrigens dezidiert auf die Frage, was Du eigentlich für eine Mutter sein willst. Abgesehen davon glaube ich nicht, dass es Dir egal ist, wenn ich im Rahmen dieser kleinen Lustreise andere Mütter oder Töchter „flachlege“ (was für ein abstoßender, besagter sublimer Handlung völlig entfremdeter Ausdruck!!!). ____ höchstpersönlich ist mein Zeuge – bisher bin ich unberührt geblieben wie die Virgin fuckin’ Mary, deren „Grab“ wir hier besichtigen durften. Die Mädchen von Zion tragen sowieso alle Waffen, SCHARFE Waffen, da traue ich mich gar nicht ran, und der mich begleitende „Freund“ hat leider alle meine Annäherungsversuche abgelehnt. Vielleicht hätte Konrad ja Interesse. Irgendwie habe ich das Gefühl, Dein zunehmend fatalistisches Misstrauen könnte damit zu tun haben, dass Du meinen Schuhkarton durchwühlt hast, perfiderweise während ich einen keineswegs harmlosen Tequila-Rausch ausschlief. Aber das ist nur so ein Gedanke. Er kam mir bloß in den Sinn, weil ich gerade – genau wie an jenem Abend – ein paar (exakt: 8) dieser Agavenschnäpse getrunken habe. Anders sind Internet-„Cafés“ ja nicht zu ertragen. Und wenn Du „Kind“ gesagt hast, klang das für mich damals schon immer wie „Katze“ oder „Knut“ oder: „Schatz, lass uns doch ein rumänisches Waisenkind adoptieren, bevor es in die Hütchenspielerszene abdriftet!“ Ich sage nicht, dass ich dieses Kind nicht will. Ich stelle nur fest, dass ich auch niemals gesagt habe, dass ich es will. Außerdem erkläre ich offiziell, dass ich zurückkommen werde. Es stimmt ja, wenn ich wieder mal mit beiden Händen in die Welt hineinfahre, Du beschreibst das sehr poetisch, dann TIEF, TIEF, TIEF bis auf den Grund – und mit diesem beschissenen kleinen Judenstaat, welcher in Deinem Kopf offenbar aussieht wie Luxemburg, bin ich eben noch nicht ganz fertig. Die Ölquelle ist sozusagen noch nicht ausgebeutet. Ein, zwei Wochen vielleicht. Dann komme ich zurück. Mit Ultraschallgeschwindigkeit. Bis dahin gebe ich Dir einen Tipp: Enjoy the Silence. Genieße die Zeit ohne mich – sie wird schneller vorbei sein, als Dir lieb ist. Das ist eine Drohung. Und wenn Du denkst, ich denke nicht an Dich, dann denkst Du denkbar falsch. Als Beleg dafür folgen nun zehn ausgewählte Momente/Orte/Personen bzw. Dinge im Heiligen Land, in denen/an denen/in deren Gegenwart ICH AN DICH GEDACHT HABE. Die Reihenfolge spielt keine Rolle.

1. Die vorzügliche, leicht pikante Falafel, die mein „Freund“ und ich am 14. Juli verzehrten, nachdem wir gemeinsam mit unserem favorisierten Falafelfabrikanten Fabrice (Ben Yehuda St.) die Marseillaise angestimmt hatten.

2. Das streitende Hochzeitspaar auf der für Fototermine inflationär beliebten „Wishing Bridge“ bei Tel Aviv.

3. Der Souvenirladen des Air Force-Museums in Be’er Sheva, wo ich zehn Minuten lang mit dem Gedanken spielte, Dir einen Bikini in den (sexy) Farben der Israel Defense Forces zu kaufen und es dann doch nicht tat.

4. Die Hardcore-Christin aus Kentucky in Jerusalem, die mir erklärte, warum Empfängnisverhütung direkt in die Hölle führt.

5. Als ich in Tiberias, am See Genezareth, unter gewaltigem Jubel „My Heart Will Go On“ Karaoke gesungen habe (mein „Freund“ sang übrigens „Lady in Red“).

6. Dreißig Kleinkinder, die in einer Strandbar ein unfassbar unerträgliches Blockflötenkonzert gaben – und dafür von ihren stolzen Eltern gefeiert wurden wie sonst nur der Papst.

7. Die beiden bis zur Unkenntlichkeit zugeschminkten Russinnen, die auf unsere Frage nach einem bestimmten Club antworteten: „Sorry, we’ve got husbands and children.“

8. Der Abend, als wir – für 500 Schekel – in der Bucht von Eilat mit den Delphinen (Delfinen?) um die Wette schwammen.

9. Die Nutte am alten Busbahnhof von Tel Aviv, bei der ich mich gestern erkundigte, ob sie auch VISA akzeptieren würde, und die gar nicht mal unfreundlich antwortete: „Fuck yourself.“

10. Ein elegant verhülltes, ent- und verrücktes, erhabenes, ernstes arabisches Paar, das am Strand von Jaffa im Mondlicht tanzte.

Grüße an Lulu, das alte Luder. Große Grüße an Fräulein Müller. Küsschen von meinem „Freund“. Layla tov.

Bye bye, Bionade-Baby!

Rock’n Roll: A. M.

P. S.: J'ai bu trop de Tequila mais ça ne veut pas dire que je ne t'aime pas...

P. P. S.: Hast Du eigentlich noch meine Traveling Wilburys-CD?

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

zu dem Titel des Postings fällt mir ein, es gibt ein gaaaanz großartiges Depeche Mode-Cover davon: "Enjoy the Sheket!" Ganz großes Kino.

? hat gesagt…

Danke für den Hinweis. Noch besser ist: Es handelt sich um ein Mesh-up "Depeche Mode vs. BALAGAN" mit hebräischen lyrics!

Anonym hat gesagt…

Ob Arthur das wusste?

? hat gesagt…

Und hier gibt's den Gratis-Download von "Enjoy the Sheket" -- als Teil einer etwas gewöhnungsbedürftigen Compilation...

http://israbox.com/2007/04/11/rak_beisrael_2005.html

Link einfach kopieren!

plastikstuhl hat gesagt…

richtig, popichtig... ein Mashup mit einem guten alten Monica Sex-Song. Die Rak BeIsrael-Reihe ist in der Tat nur im engeren Sinne ein "Hit"... das meiste kann man leider echt mehr oder weniger vergessen. ;-) Naja.
Interessantes Blog übrigens, auch wenn ich noch nicht alles so komplett nachvollziehen konnte.

Konrad hat gesagt…

Ich finde den Blog auch interessant, vor allem die Art, wie einige hier versuchen mich lächerlich zu machen.Ich fordere f.h. und Super_Marc jetzt endgültig auf, meine Person (das heisst vor allem meinen Namen!!) nicht mehr zu benutzen. Ich war nicht in Israel und ich würde auch niemals auf dem CSD demonstrieren. Die Verwendung meines Namens in diesem Zusammenhang ist so platt! Sehr glaubwürdig nachdem ich mich auf deinem Blog über euren Umgang mit der schwulen Community geärgert habe! Ich lach mich tot! Zu Super_Marc bei "Wir brauchen Abstand" kann ich nur sagen: Wenn barebacking bei Typen wie dir inzwischen die Regel ist, dann müssen wir uns um homoehe und Co bald keine Sorgen mehr machen, die Schwulen werden schneller wegsterben als neue geboren werden und ich kann mich für die Dummheit der meisten Schwulen nur schämen!!! Aber wahrscheinlich war es ja nur ein Scherz, was ja noch viel peinlicher ist. Ich würde die demonstrierenden Barebacker auf dem CSD mit Tüten voller Rattenblut beschmeißen. Mit Glück befindet sich Super_Marc darunter oder wer auch immer sich hinter diesem Namen versteckt. Jeder, der bareback fickt, schadet nicht nur sich, sondern auch der schwulen Gemeinschaft, die er nicht nur dezimiert, sonder deren mühsam erkämpftes gesellschaftliches Ansehen er gefährdet. Das ist die Fakten, da kann man sich winden, wie man will.